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Soziologisches Institut Prof. Dr. Katja Rost

Chancen des Alumni-Netzwerks

Chancen des Alumni-Netzwerks
Am März 10, 2023 veröffentlicht
Alumniwesen

Mit dem Abschluss an der UZH gehören wir zum Kreis der UZH-Alumni und damit zu einem Netzwerk mit grossem Potenzial für unsere persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Wie wir uns noch besser vernetzen und dadurch auch unserer Alma Mater helfen, weiss UZH-Soziologin Prof. Dr. Katja Rost: «Nehmen Sie an Veranstaltungen und sozialen Anlässen teil – auch zu neuen Themen – und lassen Sie den Rest auf sich zukommen.»

Worin sehen Sie das grösste Potenzial von Alumni-Netzwerken? 

In der Vermittlung von sozialem Kapital. Es gibt verschiedene Kapitalarten, welche Personen Ressourcen vermitteln, die dann beispielsweise berufliche Karrieren erleichtern oder beschleunigen. Hierzu gehören neben ökonomischem Kapital, wie etwa Einkommen und Vermögen, Humankapital, wie zum Beispiel erworbene Bildungsabschlüsse, und kulturellem Kapital, wie beispielsweise Kenntnisse von Tischsitten und Verhaltensstandards, auch soziales Kapital, wie soziale Kontakte. Diese Kapitalarten sind ineinander konvertierbar: So kann soziales Kapital in ökonomisches Kapital, Humankapital und kulturelles Kapital umgeformt werden. Beispielsweise verhelfen soziale Kontakte zu besser bezahlten Jobs, vermitteln Zugang zu knappen oder nicht bekannten Ausbildungsprogrammen oder resultieren in Einladungen zu Vernissagen, Opernbesuchen, Restaurants und Sportveranstaltungen. Prinzipiell gilt: je mehr Kapital eine Person akkumuliert, umso besser ist ihr Zugang zu knappen Positionen in der Gesellschaft. Alumni-Netzwerke vermitteln also Zugang zu Machtpositionen in Wirtschaft, Politik und Sozialem. Ihr grosser Erfolg begründet sich darin, dass viele Personen in Alumni-Netzwerken bereits Machtpositionen erreicht haben und damit sehr viel Kapital an andere Personen vermitteln können. Hilfreich ist zudem, dass es sich bei den Kontakten in Alumni-Netzwerken um so genannte schwache soziale Beziehungen handelt, also um Personen, mit denen man nur unregelmässigen Kontakt pflegt. Schwache Beziehungen sind nicht redundant: sie enthalten Ressourcen, zu denen man im regulären Freundes- und Bekanntenkreis keinen Zugang hat. Hierdurch wird Unternehmertum gefördert. 

Gut gemanagte Alumni-Netzwerke sind der Grund warum die sogenannten Ivy-League-Universitäten in den USA als Elite gelten. Nicht die Ausbildung an diesen Universitäten ist so viel besser (teilweise sogar schlechter!), sondern die Alumni-Netzwerke sind besser. Die Absolventinnen und Absolventen verhelfen sich untereinander auf Machtpositionen in der Gesellschaft, was im Sinne fairer Aufstiegschancen nicht unkritisch zu sehen ist, und versorgen die Universität mit Geldern, beispielsweise über Stiftungen. Dieser kumulative Prozess erklärt, warum sich die Ivy-League-Universitäten immer stärker vom Rest der anderen Universitäten entfernen. In diesem Sinne ist es gut, wenn die UZH und andere europäische Universitäten hier nachziehen. Unsere Ausbildung ist hervorragend – teilweise sogar besser. Nur unsere Alumni-Netzwerke lassen noch zu wünschen übrig. 

Wie können sich Alumni denn gegenseitig unterstützen?

Indem Sie miteinander in Kontakt bleiben bzw. sich miteinander vernetzen – das ist das A und O, um Zugang zu den oben dargestellten Ressourcen zu erhalten. Um dies zu erreichen, sollte man an den angebotenen Veranstaltungen teilnehmen. Im persönlichen Gespräch mit anderen Alumni ergeben sich dann Anknüpfungspunkte: entweder direkt oder indirekt, indem man auf die Kontakte zu einem späteren Zeitpunkt zurückgreifen kann. 

Das Alumni-Netzwerk der UZH besticht durch seine Vielfalt, einerseits fachlich, aber auch von der Altersstruktur her. Wie finde ich in dieser Menge die für mich passenden Kontakte?

Diversität ist die Grundvoraussetzung für Kreativität und damit Unternehmertum. Oft sind Kontakte, die am unähnlichsten sind – also aus anderen Berufen, Branchen, Fachgebieten, Altersstrukturen, politischen Ausrichtungen kommen – am nützlichsten, um Innovation und «Out-of-the-Box»-Denken zu fördern. Dies ergibt sich zufällig und ist kein geplanter Prozess. Insofern sollte man in Alumni-Netzwerken offen für andersartige Personen und Denkansätze sein und eben nicht nur nach Kontakten suchen, die eine möglichst hohe Ähnlichkeit mit einem selbst aufweisen. Natürlich haben auch letztere Kontakte Vorteile: so versteht man sich schneller miteinander, weil man über vergleichbare Ressourcen, wie zum Beispiel Fachwissen, Kontakte, Hobbies, verfügt. Diese Redundanz ist aber auch der Grund dafür, warum solche Kontakte zumindest in Bezug auf Innovation und Unternehmertum weniger hilfreich sind. Bei politischen Prozessen hingegen können diese Kontakte gut unterstützen. 

Worauf kommt es beim Netzwerken an? 

Offenheit und Ungezwungenheit. Viele Leute sehen Netzwerken zu verbissen. Netzwerke eröffnen Möglichkeitsräume, aber geben keine Garantien und verlaufen auch nicht nach Plan. Je offener und ungezwungener man also in eine Situation hineingeht, um so besser funktioniert Netzwerken. Gehen Sie also mit Freude und ohne zu hohe Anfangserwartungen zu sozialen Anlässen. Der Rest ergibt sich dann von allein.

Kann man Netzwerken lernen? 

Zum «Netzwerken» findet man unheimlich viele Anleitungen und Praxistipps. Aus den oben genannten Gründen halte ich von «strategischem» Netzwerken nicht viel. In einem geplanten Prozess verpasst man das innovative, unternehmerische Potenzial unerwarteter sozialer Kontakte. Personen, die zu verbissen Netzwerken sind deswegen meist auch Bürokraten und keine Unternehmer. Was man aber lernen kann, ist, warum Netzwerken wichtig ist. Sobald man die dahinter liegenden Prozesse verstanden hat, weiss man, dass face-to-face Kontakte und Veranstaltungsteilnahmen wichtig sind. Auch dann, wenn das Thema evtl. nicht ganz so stark interessiert. In der Soziologie gibt es den Spruch: Es ist nicht wichtig, was du weisst, sondern wen du kennst. Das ist natürlich übertrieben, bringt es aber gut auf den Punkt.

Small Talk oder mit der Tür ins Haus: Wie gelingt der Gesprächseinstieg?

Small Talk ist sicherlich eleganter und eloquenter. Allerdings: wenn ich ein konkretes Anliegen habe, sollte ich dieses auch direkt zur Sprache bringen und nicht um den heissen Brei reden. Es kommt also darauf an. Zudem beherrscht nicht jede oder jeder den Small Talk. Insofern kann manchmal ein direkter Gesprächseinstieg hilfreich sein. Wichtig ist, dass man sich wohl fühlt und Interesse an einem Gespräch hat. Das spürt das gegenüber. Netzwerken sollte kein selbst verordneter Zwang sein. 

Wie nutze ich digitale Soziale Netzwerke am effizientesten: Als Türöffner zur ersten Kontaktaufnahme oder als Mittel, um in Kontakt zu bleiben?

Beides ist möglich. Wichtig ist, dass es nicht bei einem virtuellen Kontakt bleibt, sondern dieser auch face-to-face stattfindet. Face-to-face Kontakte haben den Vorteil, dass Empathie, Emotionen, soziale Zugehörigkeit vermittelt werden. Man kann auf den Gesichtsausdruck, die Körperhaltung und die Gestik des Gegenübers reagieren. Darüber hinaus ist eine unmittelbare Reaktion möglich, woraufhin Gesprächsverläufe entstehen. Das ist bei virtuellen Kontakten unmöglich bzw. stark limitiert. Deswegen sind face-to-face Beziehungen auch nicht ersetzbar, sondern allerhöchstens durch virtuelle Kontakte verstärkbar. 

Mit welchen Tipps klappt das Netzwerken?
Nehmen Sie an Veranstaltungen und sozialen Anlässen teil. Auch einmal zu neuen Themen. Gehen Sie mit Freude an die Anlässe und seien Sie offen für Personen mit anderen Hintergründen als ihrem. Lassen Sie den Rest auf sich zukommen.  
 


Prof. Dr. Katja Rost ist Ordinaria für Soziologie und Privatdozentin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Wirtschafts- und Organisationssoziologie (Historische Soziologie und Organisationstheorie, Geschlechterstereotypen und Diversität in Organisationen, Unternehmenseliten und Corporate Governance, Innovationssoziologie, Soziologie der Digitalisierung, Wissenschaftssoziologie). Sie ist Vizepräsidentin des Universitätsrats der Universität Luzern, Präsidentin der Gleichstellungskommission der Universität Zürich und stellvertretende Vorsitzende des «Center for Higher Education and Science Studies» sowie des universitären Forschungsschwerpunktes «Human Reproduction Reloaded».


Anna-Julia Lingg, UZH Alumni

https://uzhalumni.ch/news/1470100