Navigation auf uzh.ch

Suche

Soziologisches Institut Prof. Dr. Katja Rost

Wenn freiwillige Entscheidungen zu Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen führen

Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern kann nicht als Diskriminierung bezeichnet werden, wenn sie auf freiwilligen Entscheidungen von Frauen beruht.

 
Margit Osterloh, Katja Rost und Annina Mösching, NZZ 22.02.2023, 05.30 Uhr

Im Interview über Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen in der NZZ vom 30. Januar 2023 betont die Wirtschaftsprofessorin Conny Wunsch zu Recht, dass sich in der Schweiz viele Frauen freiwillig für Teilzeitarbeit und damit niedrigere Stundenlöhne entscheiden. Vor allem Frauen mit Kindern reduzieren ihr Arbeitspensum oder nehmen einen geringer bezahlten Job in Kauf. Weniger Arbeitsstunden und folglich weniger Berufserfahrung beeinflussen den Lohn negativ.

Das «Gender-Equality-Paradox»

Gleichwohl ist festzustellen, dass sich in der Schweiz für viele Einzelpersonen und Paarhaushalte ein hohes Arbeitspensum aufgrund der progressiven Einkommenssteuer nicht lohnt. Zählt man dazu noch die AHV-Beiträge, so reduziert sich der effektive Nettostundenlohn um fast einen Fünftel, wie die Ökonomen Reiner Eichenberger und Patricia Schafer kürzlich vorrechneten. Wenn Eltern mit Kleinkindern zudem noch Krippengebühren bezahlen müssen, wird es für Gutverdienende in vielen Fällen finanziell unattraktiv, Vollzeit zu arbeiten.

Offen bleibt: Warum arbeiten insbesondere die Frauen eher in Teilzeitpensen, nicht aber die Männer? Und das, obwohl die Frauen heute eine ebenso gute und teilweise sogar bessere formale Ausbildung haben als die Männer. Eine Erklärung bietet das sogenannte «Gender-Equality-Paradox»: Entgegen landläufigen Vorstellungen ist die Einstellung zu Beruf und Familie umso konservativer, je reicher ein Land ist. Insbesondere Männer und Frauen aus wohlhabenden Haushalten leben eher nach traditionellen Rollenvorstellungen. Die gut ausgebildeten Frauen arbeiten Teilzeit oder bleiben zu Hause und kümmern sich um Haushalt und Kinder, während ihre Männer in hochbezahlten, arbeitsintensiven Jobs Vollzeit arbeiten.

Diese Geschlechtsstereotype werden an die Kinder bewusst oder unbewusst «vererbt», was sich wiederum in deren Ausbildungs- und Studienfachwahl niederschlägt. Dies zeigt eine Untersuchung, die wir kürzlich an der Universität Zürich und der ETH Zürich durchgeführt haben: Frauen wählen zu einem hohen Anteil typische «Frauenfächer» wie Psychologie, Soziologie, Veterinär- oder Humanmedizin und streben seltener eine Karriere an.

Dem weiblichen Stereotyp folgend, planen sie nach einer Familiengründung eine Reduktion ihres Arbeitspensums auf deutlich weniger als 60 Prozent, beziehungsweise sie erwägen, ganz aus dem Beruf auszusteigen. Bei den Männern hingegen steht meist die berufliche Karriere im Vordergrund. Sie wählen zu einem hohen Anteil typische «Männerfächer» wie Informatik, Elektrotechnik, Finanzwirtschaft oder Maschinenbau und haben typisch männliche Rollenvorstellungen. Es ist für sie selbstverständlich, dass sie auch mit einer Familie weiterhin Vollzeit arbeiten.

Geschlechtstypische Wünsche

Weil das jeweils andere Geschlecht im geschlechtsspezifisch gewählten Studienfach unterrepräsentiert ist und heute etwa gleich viele Frauen und Männer an den Hochschulen studieren, kommt es zu komplementären Paarbildungen. Auf dem Heiratsmarkt treffen Frauen in «Frauenfächern» vorzugsweise auf Männer in «Männerfächern». Dadurch ergänzen sich die geschlechtstypischen Vorstellungen von Männern und Frauen perfekt. Sobald sie Eltern werden, übernehmen die Männer die Jobs mit langen Arbeitstagen und hohen Löhnen. Die Frauen arbeiten in familien- und kinderfreundlichen Jobs, am besten Teilzeit und mit entsprechenden tiefen Löhnen sowie begrenzten Karrieremöglichkeiten.

Die Aufteilung der Arbeitspensen, insbesondere in eher wohlhabenden Bildungshaushalten, ist somit das Resultat der weiterhin vorhandenen geschlechtstypischen Wünsche von Frauen und Männern. Wenn es somit die freie Wahl der Frauen ist, Teilzeit zu arbeiten oder ganz zu Hause zu bleiben, ist das weder eine offene noch eine versteckte Diskriminierung der Frauen. Diskriminiert wird allenfalls der Steuerzahler, der ihre hohen Ausbildungskosten an unseren Hochschulen finanziert, aber wenig zurückbekommt.

Margit Osterloh ist Forschungsdirektorin am Center for Research in Economics, Management and the Arts (Crema) in Zürich. Katja Rost ist Professorin für Soziologie an der Universität Zürich. Annina Mösching ist Forschungsassistentin am Crema.