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Ich möchte mich an dieser Stelle sehr gern zu den Argumenten einiger Vertreter*innen des Verbands der Studierenden an der Universität Zürich äussern.
(1) Erstens befürchtet der Verband, dass in Folge unserer Forschung zur Leaky Pipline die Mittel für die Gleichstellungsarbeit gekürzt werden. Das ist abenteuerlich, weil wir Gleichstellungsmassnahmen vorschlagen, um die Gleichstellungsarbeit zu verbessern.
(2) Zweitens wünscht sich der Verband, dass sich die Universitätsleitung und andere Forscher*innen kritisch mit unseren Befunden auseinandersetzen. Das tuen beide Seite: Die Universitätsleitung hat unsere Vorschläge für eine Verbesserung der Gleichstellungsmassnahmen erhalten und wird nun diskutieren, welche dieser zusätzlichen Massnahmen eingeführt werden sollen und welche eben nicht. Und das tut die Universitätsleitung in kritischer Auseinandersetzung mit den Resultaten. Auch Forschende werden sich mit unseren Befunden weiter auseinandersetzen und diese kritisch diskutieren. Im Übrigen haben wir unsere Ergebnisse bereits mit sehr vielen Forschenden kritisch diskutiert und Feedback erhalten, was an unserer Methodik und/oder unseren Argumenten nicht überzeugt (siehe hierzu unser Manuskript und welche Personen wir auflisten). Wir haben diese Punkte bereits im Manuskript berücksichtigt. Und nun wird der Diskussionsprozess weitergehen. Forschung muss unbequeme Gegenmeinungen aushalten. Und das ist gut so.
(3) Drittens wollte ich das Gleichstellungspräsidium, wie die Verfasser*innen der Petition eigentlich wissen sollten aber nicht schreiben, bereits VOR dem Shitstorm abgeben. Das Problem? Es wollte niemand übernehmen! Viel Arbeit für kein Geld und dann noch für Entrüstungsstürme. Vollstes Verständnis.
(4) Viertens finde ich absurd, dass gerade mir vorgeworfen wird, mich nicht für Gleichstellung einzusetzen. Hier eine Auflistung der Massnahmen und Projekte, welche ich in den letzten Jahren an der Universität Zürich lanciert habe:
Insgesamt ergibt das eine Summe von circa 10 Millionen SFR, welche zusätzlich für die Gleichstellungsarbeit an der Universität Zürich eingeworben wurden. Hier von Mittelkürzungen zu sprechen ist nicht nachvollziehbar.
(5) Fünftens wird in der Petition argumentiert, dass die Resultate unserer Untersuchung nicht die «gelebte Realität» der Studierenden wiedergeben. Hier stellt sich die Frage, auf welche gelebte Realität man sich bezieht. Wir machen Aussagen zur Gesamtstichprobe, welche repräsentativ über Geschlecht und Studienfächer verteilt ist, und nicht zu Partikulargruppen, in denen sich die gelebte Realität in der Tat unterscheidet. Man sollte niemals die eigene gelebte Realität auf die Gesamtgesellschaft übertragen. Wir alle – auch ich – bewegen uns in mehr oder weniger homogenen Gruppen, in denen Meinungen und Einstellungen nicht zu stark voneinander abweichen. Anders wären wir gar nicht überlebensfähig, weil wir ständig in Konflikt leben müssten.
(6) Sechstens wurde der Beitrag den Medien nicht «zugespielt», sondern auf wiederholte Anfrage gesendet. Hier kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob dieses Vorgehen im Nachhinein richtig war. Dagegen spricht, dass im Zeitalter der Kurznachrichten und Entrüstungsstürme eine sinnvolle Diskussion zu Forschungsresultaten bei kontroversen Themen nicht mehr möglich ist. Dagegen spricht auch, dass wir die Studie nicht sofort auf dem Netz publizieren konnten, da wir vorab die Zustimmung der ETH benötigten. Allerdings hatten wir nicht mit derart heftigen Reaktionen gerechnet. Dafür spricht, dass Steuerzahler ein Anrecht auf die Resultate von Forschung haben, die mit öffentlichen Mitteln bezahlt wurde. Dafür spricht ebenso, die Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit zur Meinungsäusserung.
(7) Siebentens finde ich interessant, dass sich niemand darüber aufregt, wenn Bücher besprochen werden. Viele (nicht alle!) Bücher durchlaufen keinen wissenschaftlichen Peer-Review sondern einen redaktionellen. Zudem werden viele der veröffentlichten Peer-Review Beiträge nur von zwei oder drei Gutachter*innen geprüft; von mehr nicht. Unser Manuskript wurde bereits an zig Konferenzen und Workshops kritisch diskutiert und hat mehrfach den Peer-Review durchlaufen. Gerade bei kontroversen Themen sollte dies auch der normale Prozess sein, bevor man sich entscheidet, ein Resultat endgültig zu publizieren. Zudem ist eine differenzierte Analyse des Peer-Reviews notwendig. Dieser hat auch Schattenseiten, beispielsweise indem gerade kontroverse Resultate, die dem Zeitgeist widersprechen, verstärkt abgelehnt werden und es oft erst sehr spät zur Publikation schaffen, wenn der Zeitgeist dreht (siehe Publikationsfehler). Dann ist es manchmal aber zu spät. Wichtiger wäre zuvor auf negative Entwicklungen reagieren zu können.
Zuletzt möchte ich betonen, dass ich mittlerweile die Ursachen für den Entrüstungssturm gut nachvollzogen habe. Ich gehe seit einiger Zeit einigen Vertreter*innen feministischer Positionen stark auf den Geist, weil meine Position zu gemässigt ist und als unemanzipiert wahrgenommen wird. Aber ich vertrete nun einmal die Gleichstellung ALLER Geschlechter, also von Frauen, von Männern und allen anderen Geschlechtern. Ich vertrete keine Partikularinteressen. Das ist meine Position. Selbstverständlich darf man auch andere Positionen vertreten.