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Soziologisches Institut Prof. Dr. Katja Rost

Meine Antwort auf die Petition des Verbands der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH)

Ich möchte mich an dieser Stelle sehr gern zu den Argumenten einiger Vertreter*innen des Verbands der Studierenden an der Universität Zürich äussern.

(1)    Erstens befürchtet der Verband, dass in Folge unserer Forschung zur Leaky Pipline die Mittel für die Gleichstellungsarbeit gekürzt werden. Das ist abenteuerlich, weil wir Gleichstellungsmassnahmen vorschlagen, um die Gleichstellungsarbeit zu verbessern.

(2)    Zweitens wünscht sich der Verband, dass sich die Universitätsleitung und andere Forscher*innen kritisch mit unseren Befunden auseinandersetzen. Das tuen beide Seite: Die Universitätsleitung hat unsere Vorschläge für eine Verbesserung der Gleichstellungsmassnahmen erhalten und wird nun diskutieren, welche dieser zusätzlichen Massnahmen eingeführt werden sollen und welche eben nicht. Und das tut die Universitätsleitung in kritischer Auseinandersetzung mit den Resultaten. Auch Forschende werden sich mit unseren Befunden weiter auseinandersetzen und diese kritisch diskutieren. Im Übrigen haben wir unsere Ergebnisse bereits mit sehr vielen Forschenden kritisch diskutiert und Feedback erhalten, was an unserer Methodik und/oder unseren Argumenten nicht überzeugt (siehe hierzu unser Manuskript und welche Personen wir auflisten). Wir haben diese Punkte bereits im Manuskript berücksichtigt. Und nun wird der Diskussionsprozess weitergehen. Forschung muss unbequeme Gegenmeinungen aushalten. Und das ist gut so.

(3)    Drittens wollte ich das Gleichstellungspräsidium, wie die Verfasser*innen der Petition eigentlich wissen sollten aber nicht schreiben, bereits VOR dem Shitstorm abgeben. Das Problem? Es wollte niemand übernehmen! Viel Arbeit für kein Geld und dann noch für Entrüstungsstürme. Vollstes Verständnis.

(4)    Viertens finde ich absurd, dass gerade mir vorgeworfen wird, mich nicht für Gleichstellung einzusetzen. Hier eine Auflistung der Massnahmen und Projekte, welche ich in den letzten Jahren an der Universität Zürich lanciert habe:

  • Durchführung der ersten schweizweiten Lohnanalyse von Professor*innen an der Universität Zürich und Wiederholung dieser Lohnanalyse.
  • Persönliche Einwerbung von Projektmitteln und Durchführung einer Beförderungsanalyse der Professor*innen und Identifikation teils längerer Beförderungszeiten von Frauen auf Ordentliche Professuren, welche mittlerweile adressiert wurden.
  • Persönliche Einwerbung von Projektmitteln und Durchführung des Projektes zu Teilzeit-Karriere-Modellen, welche Professorinnen Optionen an der Universität Zürich aufzeigen, damit das Arbeitspensum für einen Zeitraum reduziert werden kann. Diskussionen an der Veterinärwissenschaftlichen Fakultät, wie der Frauenanteil auf Professuren durch bessere Vereinbarkeitsmodelle zwischen Beruf und Familie verbessert werden kann.
  • Persönliche Einwerbung von Projektmitteln und Durchführung des Projektes zu Teilzeit-Karriere-Modellen in der Medizin. Es beteiligen sich alle Schweizer Universitäten mit Universitätsspitälern. Ziel ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Medizin zu verbessern.
  • Durchsetzung der Übernahme von Kinderbetreuungskosten durch den Graduate Campus für Doktorandinnen und Postdoktorandinnen mit kleinen Kindern bei Konferenzreisen.
  • Durchsetzung der Repräsentation von Frauen in der neu entstandenen Nachhaltigkeitskommission, nachdem mir auffiel, dass Frauen in der Kommission gar nicht vertreten waren. Nachhaltigkeit ist ein wesentliches Thema für Universitäten und Frauen sollte an diesem Thema ebenso beteiligt sein.
  • Mit-Lancierung des UFSP «Human Reproduction reloaded», welcher sich u.a. damit beschäftigt, dass die Planung der Karriere von Frauen und die Planung einer Familie zum selben Zeitpunkt stattfinden. Dies führt z.B. dazu, dass Mutterschaft zu spät geplant wird und Paare kinderlos bleiben.
  • Initiative zur Verbesserung der Sitzungszeiten an der Universität Zürich, welche oft an Abenden stattgefunden haben und damit gerade für Frauen mit kleinen Kindern ein Problem darstellen.

Insgesamt ergibt das eine Summe von circa 10 Millionen SFR, welche zusätzlich für die Gleichstellungsarbeit an der Universität Zürich eingeworben wurden. Hier von Mittelkürzungen zu sprechen ist nicht nachvollziehbar.

(5)    Fünftens wird in der Petition argumentiert, dass die Resultate unserer Untersuchung nicht die «gelebte Realität» der Studierenden wiedergeben. Hier stellt sich die Frage, auf welche gelebte Realität man sich bezieht. Wir machen Aussagen zur Gesamtstichprobe, welche repräsentativ über Geschlecht und Studienfächer verteilt ist, und nicht zu Partikulargruppen, in denen sich die gelebte Realität in der Tat unterscheidet. Man sollte niemals die eigene gelebte Realität auf die Gesamtgesellschaft übertragen. Wir alle – auch ich – bewegen uns in mehr oder weniger homogenen Gruppen, in denen Meinungen und Einstellungen nicht zu stark voneinander abweichen. Anders wären wir gar nicht überlebensfähig, weil wir ständig in Konflikt leben müssten.

(6)    Sechstens wurde der Beitrag den Medien nicht «zugespielt», sondern auf wiederholte Anfrage gesendet. Hier kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob dieses Vorgehen im Nachhinein richtig war. Dagegen spricht, dass im Zeitalter der Kurznachrichten und Entrüstungsstürme eine sinnvolle Diskussion zu Forschungsresultaten bei kontroversen Themen nicht mehr möglich ist. Dagegen spricht auch, dass wir die Studie nicht sofort auf dem Netz publizieren konnten, da wir vorab die Zustimmung der ETH benötigten. Allerdings hatten wir nicht mit derart heftigen Reaktionen gerechnet. Dafür spricht, dass Steuerzahler ein Anrecht auf die Resultate von Forschung haben, die mit öffentlichen Mitteln bezahlt wurde. Dafür spricht ebenso, die Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit zur Meinungsäusserung.  

(7)    Siebentens finde ich interessant, dass sich niemand darüber aufregt, wenn Bücher besprochen werden. Viele (nicht alle!) Bücher durchlaufen keinen wissenschaftlichen Peer-Review sondern einen redaktionellen. Zudem werden viele der veröffentlichten Peer-Review Beiträge nur von zwei oder drei Gutachter*innen geprüft;  von mehr nicht. Unser Manuskript wurde bereits an zig Konferenzen und Workshops kritisch diskutiert und hat mehrfach den Peer-Review durchlaufen. Gerade bei kontroversen Themen sollte dies auch der normale Prozess sein, bevor man sich entscheidet, ein Resultat endgültig zu publizieren. Zudem ist eine differenzierte Analyse des Peer-Reviews notwendig. Dieser hat auch Schattenseiten, beispielsweise indem gerade kontroverse Resultate, die dem Zeitgeist widersprechen, verstärkt abgelehnt werden und es oft erst sehr spät zur Publikation schaffen, wenn der Zeitgeist dreht (siehe Publikationsfehler). Dann ist es manchmal aber zu spät. Wichtiger wäre zuvor auf negative Entwicklungen reagieren zu können.

Zuletzt möchte ich betonen, dass ich mittlerweile die Ursachen für den Entrüstungssturm gut nachvollzogen habe. Ich gehe seit einiger Zeit einigen Vertreter*innen feministischer Positionen stark auf den Geist, weil meine Position zu gemässigt ist und als unemanzipiert wahrgenommen wird. Aber ich vertrete nun einmal die Gleichstellung ALLER Geschlechter, also von Frauen, von Männern und allen anderen Geschlechtern. Ich vertrete keine Partikularinteressen. Das ist meine Position. Selbstverständlich darf man auch andere Positionen vertreten.